Wie Krebszellen auf Reisen gehen

Autor: Dipl. Biol. Esther Witte • Fachliche Prüfung: Dr. Christian Keinki
Lesedauer: 3 Minuten
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Krebszellen können weiße Blutkörperchen kapern, um an anderer Stelle Metastasen bilden zu können. Dieser Mechanismus schafft neue Therapieoptionen.

Schwierig wird es, Krebs zu behandeln, wenn er gestreut und an anderer Stelle Metastasen gebildet hat. Wie der Krebs das bewerkstelligt war den Forschern bisher nicht ganz klar. Jetzt hat eine Forschergruppe aus Basel herausgefunden, dass Krebszellen sich gerne Vehikel nehmen, die sie von einer Stelle zu einer anderen transportieren (3). Die Transportmittel dabei sind die sogenannten Neutrophilen des Immunsystems. Sie verhelfen offensichtlich den Krebszellen dazu, an anderer Stelle Metastasen zu bilden. Wie kann das sein?

Das „Neutrophilen-Taxi“ für Krebszellen

Die Neutrophilen gehören zu den weißen Blutkörperchen des Immunsystems, die im Blut patrouillieren. Durch Schädliche Stoffe, wie Erreger oder Fremdkörper, die in den Körper eindringen, werden die Neutrophilen über angelockt. Aus den Neutrophilen werden Fresszellen (Phagozyten), die Fremdstoffe/Erreger aufnehmen und zerstören können. Dabei setzen sie Botenstoffe (wie Interleukine, Prostaglandine) frei, die andere Immunzellen anlocken und Entzündungsreaktionen verursachen. Du kannst diese Prozesse sehen, wenn eine Wunde eitert, denn der Eiter besteht aus den Neutrophilen und zerstörtem Gewebe.

Nun können im Blut krebskranker Menschen, neben den Neutrophilen, auch einzelne Tumorzellen oder Zellverbände des Primärtumors zirkulieren, die nur darauf warten, Tochtergeschwulste (Metastasen) bilden zu können. Treten die Neutrophilen mit ihnen in Kontakt, setzen sie auch hierbei Botenstoffe (Zytokine) frei. Nur scheinen in diesem Falle die Botenstoffe wachstumsfördernd zu wirken sein, denn der Komplex aus Neutrophilen und Krebszellen (Tumorzell-Neutrophilen-Cluster) wächst sehr viel stärker, als alle anderen Krebszellen. Es scheint den Krebszellen also zu gelingen, sich mit den Neutrophilen zu verbünden und durch sie zu beschützt zu werden [1].

Chancen für die Krebstherapie

Jede neue Erkenntnis über das Verhalten von Krebszellen bietet auch neue Chancen für Therapieoptionen. Ein Tumor, der aktiv wird, zeigt zugleich auch Angriffsstellen für zielgerichtete Therapien und bietet die Möglichkeit, Diagnosen und Prognosen genauer zu formulieren.

Während also bis dato die Rolle des Immunsystems bei der Verbreitung von Tumorzellen noch weitgehend unerforscht war, ist man jetzt in der Krebsforschung durch die Entdeckung der Tumorzell-Neutrophilen-Cluster wieder ein großes Stück weitergekommen. Patienten, die in ihrem Blut diese Cluster aufweisen, haben mit großer Wahrscheinlichkeit an anderer Stelle bereits Metastasen entwickelt.

Und was hat es mit den Botenstoffen auf sich?

Die bei dem Kontakt mit den Krebszellen ausgeschütteten Botenstoffe der Neutrophilen scheinen die Metastasenbildung aktiv zu unterstützen. Durch die Unterbindung der Zytokinausschüttung müsste also auch die Metastasenbildung blockiert werden können. Die Botenstoffe haben eigentlich die Aufgabe, andere Immunzellen anzulocken und Entzündungen zu verursachen.

Und tatsächlich hat man bereits 2014 in einer Studie an Mäusen die Rolle der Zytokine in der Metastasierung des schwarzen Hautkrebses erklären können [2; 4]. Hier scheinen die von den Zytokinen verursachten Entzündungsreaktionen die Krebszellen frühzeitig zu mobilisieren und entlang der Oberfläche von Blutgefäßen in das Innere des Körpers zu leiten. Die Krebszellen nutzen dabei dieselbe „Bahn“, die zuvor unreife Pigmentzellen von ihrem Bildungsort zu ihrem Bestimmungsort an der Hautoberfläche genutzt haben. Nur eben in umgekehrter Richtung. Die Entzündung scheint dieses Phänomen möglich zu machen.

Ausblick auf neue Therapieoptionen

Warum und wie genau das alles geschieht, ist bis dato noch Gegenstand weiterer Forschungen. Dennoch bieten bereits diese Erkenntnisse neue Therapieoptionen. Dabei konzentrieren sich die Forscher auf Stoffe, die die Zytokinausschüttung gezielt hemmen und die Entzündungsbildung und/oder die Wanderung der Krebszellen entlang der Blutgefäße unterbinden können. Das würde wahrscheinlich die Metastasierung von Tumorzellen behindern und damit die Heilungschancen für Krebspatienten im früheren Stadium enorm verbessern. Wenn sich Deine Krebserkrankung also noch im Frühstadium befindet, kannst Du Deinen Arzt einmal nach geeigneten Studien fragen.

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Quellenangaben
  1. Szczerba, B. M., Castro-Giner, F., Vetter, M., Krol, I., Gkountela, S., Landin, J., … & Beisel, C. (2019). Neutrophils escort circulating tumour cells to enable cell cycle progression. Nature, 566(7745), 553.
  2. Szczerba, Barbara Maria et. al, 06.02.2019, Neutrophils escort circulating tumour cells to enable cell cycle progression, abgerufen am 15.07.2019
  3. Bald, T., Quast, T., Landsberg, J.et al. (2014).Ultraviolet-radiation-induced inflammation promotes angiotropism and metastasis in melanoma. Nature 507,109–113.
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