Gezielter Angriff auf Krebszellen statt Gießkannenprinzip

Autor: Nicole Ziese • Fachliche Prüfung: Dr. Christian Keinki
Lesedauer: 4 Minuten
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Antikörper-Wirkstoff-Konjugate: Neuer Behandlungsansatz bedeutet zielgerichtete Zerstörung der Krebszellen

Lange Zeit gab es nur drei Behandlungsansätze bei Krebserkrankungen: Operationen, Chemotherapie und Bestrahlung. Aufgrund intensiver Forschung verstehen Mediziner heute immer besser, wie Krebs entsteht. Dadurch gelingt es auch, neue Behandlungsmethoden und Medikamente zu entwickeln, die immer spezifischer wirken. Hierzu zählen auch die sogenannten Antikörper-Wirkstoff-Konjugate. Sie verbinden einen zielgerichteten Antikörper mit einem klassischen Zellgift der Chemotherapie. Diese Medikamente haben gleich mehrere Vorteile:

  • Sie sind auf spezielle Tumorarten ausgerichtet
  • Sie wirken gezielter in den Tumorzellen, statt im gesamten Körper

Vereinfach ausgedrückt werden bei dieser Therapie die Wirkstoffe direkt in das erkrankten Gewebe transportiert. Dadurch ist die Wirkung der Medikamente präziser und die Nebenwirkungen fallen in der Regel geringer aus. Allerdings sind Antikörper-Wirkstoff-Konjugate bislang nur für wenige Tumorarten zugelassen. Forscher arbeiten stetig daran, Medikamente auch für weitere Erkrankungsformen zu entwickeln.

Hintergrundwissen: Was sind Antikörper und welche Rolle spielen sie in der Krebstherapie?

Antikörper werden auch als Immunglobuline bezeichnet.
Sie sind die Vorposten des Immunsystems: Sie erkennen Fremdstoffe und zum Teil auch veränderte Zellen im Körper. Daher sind sie grundsätzlich auch in der Lage, Tumorzellen zu erkennen. Hat ein Antikörper ein sogenanntes Antigen auf der Oberfläche einer Zelle erkannt, so beginnt die eigentliche Arbeit des Immunsystems – nämlich die Bekämpfung des Fremdkörpers. Leider ist das Immunsystem aus unterschiedlichen Gründen nicht immer in der Lage, alle Erkrankungen selbstständig zu bekämpfen.

Die Besonderheit der Antikörper besteht darin, dass sie in der Regel nur ein spezifisches Antigen erkennen können. Man kann sich das wie bei einem Puzzle vorstellen, bei dem immer nur zwei Teile miteinander verbunden werden können: jeweils ein spezielles Antigen und ein dazugehöriger Antikörper. Diese Besonderheit hat sowohl Vor- als auch Nachteile im Rahmen der Immuntherapie bei Krebs:

  • Einerseits kann nicht jeder Antikörper jedes Antigen erkennen und damit den Immunabwehrprozess starten
  • Andererseits lassen sich darüber, welcher Antikörper ein Antigen erkannt hat, wichtige Informationen über das Antigen gewinnen
  • Krebszellen können sich „tarnen“ und so vor dem Immunsystem verstecken.

In der Krebsmedizin übernehmen Antikörper daher unterschiedliche Aufgaben: Mit ihrer Hilfe lässt sich meist herausfinden, um welche Art von Tumorzellen es sich handelt. Zudem spielen Antikörper immer häufiger eine Rolle in der gezielten Behandlung des erkrankten Gewebes. Dabei gibt es unterschiedliche Ansätze, wie Antigene in der Behandlung genutzt werden können. Bei dem Ansatz der Antikörper-Wirkstoff-Konjugate werden die Antikörper als Taxis genutzt, die Zellgifte direkt in das erkrankte Gewebe bringen.

Wie funktionieren Antikörper-Wirkstoff-Konjugate?

Die medikamentöse Behandlung von Tumorzellen erfolgte lange Zeit nach dem Gießkannenprinzip: Patenten erhielten eine Chemotherapie. Die chemischen Substanzen sind entsprechend aggressiv, dass sie das erkrankte Gewebe zerstören oder zumindest in der Regel in ihrem Wachstum hemmen konnten. Allerdings griffen die Medikamente auch gesundes Gewebe an. Die so genannten Zytostatika (Chemotherapie-Medikament) unterschieden nicht zwischen gesundem und krankem Gewebe, sondern greifen alle Zellen an, die sich teilen.
Forscher wissen immer mehr über die Struktur und das Verhalten von Tumorzellen. So haben sie auch herausgefunden, dass viele Tumorzellen von Antikörpern erkannt werden können.

Wichtig ist an dieser Stelle das, was weiter oben bereits gesagt wurde: Nicht jede Tumorzelle ist von Antikörpern zu erkennen, denn Tumorzellen können sich „tarnen“. Und nicht jeder Antikörper kann jede Tumorzelle erkennen – denke an das Bild mit dem Puzzle.

Antikörper-Wirkstoff-Konjugate, zu Englisch antibody drug conjugates (ADC) werden auch als bewaffnete Antikörper oder „armed antibodies“ bezeichnet. Denn bei dieser Therapieform werden die Antikörper gezielt im Körper ausgesetzt, um sich an dem Antigen der Tumorzelle anzuheften. Mit dem Antikörper werden Chemotherapeutika (Krebsmedikamente) in die Tumorzelle gebracht. Um es zu verdeutlichen, rufe Dir nochmal das Bild mit dem Taxi vor Augen: Das Taxi ist mit dem Medikament beladen worden. Der Taxifahrer bringt das Medikament nun direkt zu der veränderten Zelle und – und das ist wichtig – liefert es in der Zelle ab.

Dein Arzt wird Dir die Wirkweise von Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten wahrscheinlich in etwa so erklären: Antikörper-Wirkstoff-Konjugate bestehen aus drei Elementen:

  • Antikörper: Dieses erkennt die Tumorzelle und kann sich mit dieser verbinden.
  • Medikament: Der chemische Wirkstoff ist darauf ausgerichtet, das erkrankte Gewebe zu bekämpfen.

„Linker“ – also einen „Verbinder“: Dieser sorgt dafür, dass das Medikament erst dann freigesetzt wird, wenn das Tumorgewebe erreicht ist.

Daher wird bei dieser Behandlungsform der Wirkstoff nicht im kompletten Körper wirksam, sondern im Idealfall nur an der Stelle oder an den Stellen, wo sich Tumorgewebe befindet. Nebenwirkungen lassen sich daher meist deutlich reduzieren.

Warum werden Antikörper-Wirkstoff-Konjugate bislang nur so selten eingesetzt?

Wen Dein Arzt Dir keine Behandlung mit Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten anbietet, so liegt dies in aller Regel daran, dass es für eine spezifische Form der Erkrankung noch kein zugelassenes Medikament gibt. Wie oben bereits dargestellt, sind diese Medikamente sehr spezifisch. Es gibt also nicht EIN Antikörper-Wirkstoff-Konjugat, das sich bei allen Erkrankungsformen einsetzen lässt. Vielmehr wirkt EIN Antikörper-Wirkstoff-Konjugat immer nur bei einer bestimmten Tumorart.

Wichtig für Dich: Es gibt fortlaufend Forschungen und damit auch Studien an Patienten, in denen neue Antikörper-Wirkstoff-Konjugate gegen neue Tumorarten erprobt werden. Du kannst Deinen Arzt also gezielt danach fragen, ob Du für die Teilnahme an einer solchen Studie in Frage kommst. Bevor Du Dich für die Teilnahme an einer solchen Studie entscheidest (wenn es eine für Dich passende gibt), lass Dich umfassend über Nachteile und Alternativen beraten.

 

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