Die richtige Strategie bei Prostatakrebs

Autor: Dipl. Biol. Esther Witte • Fachliche Prüfung: Dr. Henriette Quack
Lesedauer: 4 Minuten
Teile diesen Artikel

Patienten mit Prostatakarzinom im frühen Stadium haben eine gute Überlebenschance. Was ist hier die richtige Behandlungsstrategie?

Im Schnitt hat jeder sechste Mann über 50 Jahren ein Prostatakarzinom, aber nur jeder 33. stirbt daran.

Das liegt daran, dass Prostatakrebs vergleichsweise langsam wächst und ein nicht unerheblicher Teil davon ein sogenannter prognostisch günstiger Krebs mit niedrigem Progressionsrisiko (Risiko des Voranschreitens der Erkrankung) ist. Wenn Du die Diagnose gestellt bekommst, besteht in der Regel keine lebensbedrohliche Situation, sondern hast genügend Zeit, mit Deinem Arzt alle Vor- und Nachteile abzuwägen und zu überlegen, welche Behandlung für Dich die Beste sein könnte. Bei der Therapieauswahl kommt es darauf an, in welchem Stadium Dein Tumor ist und ob er auf die Prostata begrenzt ist oder sich auf andere Organe ausgebreitet hat. Dann kommt es auch darauf an, wie alt Du bist. Natürlich kann niemand wissen, wie hoch seine Lebenserwartung ist. Aber für eine Behandlung (wie die Prostatektomie oder Strahlentherapie), die möglicherweise mit länger andauernden Nebenwirkungen und verringerter Lebensqualität verbunden ist, sollte die Lebenszeit noch mehr als zehn Jahre andauern. Auch Dein allgemeiner Gesundheitszustand und eventuelle Begleiterkrankungen und -medikamente können die Therapieauswahl beeinflussen. Bist Du z.B. herzkrank, kann eine Operation ein zu großes Risiko für Dich darstellen. Natürlich sollen auch Deine Wünsche und Befürchtungen bedacht und in die Therapieentscheidung miteinbezogen werden [1].

Wenn der Tumor lokal begrenzt ist

Über die Messung des PSA-Wertes (Prostataspezifisches Antigen) ist heute eine Entdeckung des Prostatakarzinom in einem frühen Stadium möglich. Viele Jahre wurde ein lokal begrenztes Prostatakarzinom nach der Diagnose direkt operiert. „Lokal begrenzt“ bedeutet, dass der Tumor noch keine Metastasen in den Lymphknoten oder anderen Körperorganen gebildet hat. Damals dachten die Ärzte, dass eine vollständige Heilung nur dann möglich sei, wenn die Prostata komplett entfernt würde. Die Zeit und wissenschaftliche Studien zeigten allerdings, dass vier von fünf Patienten aufgrund ihrer Begleitumstände (wie Alter, Begleiterkrankungen und dem günstigen Stadium ihres Tumors) gar keine Verschlechterung ihrer Krankheit befürchten mussten. Die Prognose ist für die Tumoren mit niedrigem Progressionsrisiko also eigentlich sehr gut, denn die 10-Jahres-Überlebensrate der Patienten liegt sowohl bei den operierten wie auch bei den nicht behandelten Patienten, bei über 90 %. [2].

Seitdem kommt der abwartenden Strategie (aktive Überwachung, engl. active surveillance) beim frühen Prostatakarzinom eine immer größere Bedeutung zu. Die aktive Überwachung macht es möglich, eine weitergehende Behandlungen erst dann anzuwenden, wenn der Tumor wächst bzw. Du es wünschst. Sie geschieht unter genau festgelegten Bedingungen und einer intensiven ärztlichen Begleitung. Auch weil das Wissen, mit Krebs zu leben, bei Dir Unsicherheit und Ängste auslösen könnte sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen und Biopsien unbedingt notwendig, um Dir die Sicherheit zu geben, dass Dir nichts passieren kann. Da die Kriterien für die aktive Überwachung besonders streng sind, kannst Du auch davon ausgehen, dass Dein Arzt Dir diese Maßnahme nicht empfiehlt, wenn sie nicht für Dich geeignet ist. Das Ziel der aktiven Überwachung ist, Dich vor unnötigen Behandlungen und mögliche Nebenwirkungen u.U. sogar auf Dauer zu bewahren und Deine gute Lebensqualität möglichst lange zu erhalten.

Radikale Prostatektomie im Vergleich zur aktiven Überwachung

Vorrausetzung für den Erfolg einer Operation ist, dass sich die Prostata auch tatsächlich komplett entfernen lässt und nachher keine Tumorzellen übrig bleiben. Sie sollte auf jeden Fall die Erektionsfähigkeit und den natürlichen Harnverhalt erhalten. Aber die Prostatektomie kann auch Komplikationen und Spätfolgen verursachen, wie Harninkontinenz, Erektionsstörungen, Nervenstörung (Neurapraxie) und Stuhlinkontinenz.

Bei der abwartenden Strategie geht man davon aus, dass je nach Alter und Aggressivität des Tumors die Zeit von der Diagnose bis zum Tod 10 bis 14 Jahre betragen kann. Also haben diejenigen, die schon älter sind und vielleicht mehrere Begleiterkrankungen haben, von einer OP oder Bestrahlung mehr Belastung als Nutzen. Daher wird die aktive Überwachung von den Ärzten, zumindest in solchen Fällen, sicher empfohlen.

In verschiedenen Studien hat man Männer mit lokalem Prostatakarzinom, die mit Operation behandelt oder aktiv überwacht wurden, im Durchschnitt 20 Jahre nachbeobachtet. Rückblickend hatten die operierten gegenüber den überwachten Patienten keinen signifikanten Vorteil im tumorspezifischen und Gesamtüberleben. Die Patienten mit OP überlebten durchschnittlich 13 Jahre und die mit aktiver Überwachung 12,4 Jahre. Die Unterschiede waren umso größer, je jünger die Patienten waren, je höher der PSA-Wert zum Zeitpunkt der Diagnose war und bei mittlerer Progressionsneigung. Bei niedriger und hoher Progressionsneigung waren die Unterschiede im Überleben zwischen den beiden Behandlungsgruppen am niedrigsten.
Die Patienten mit aktiver Überwachung mussten öfter als die Operierten aufgrund von Krankheitsverschlechterung behandelt werden. Meist lag der Grund dafür in einem lokalen Progress. Dafür traten bei den operierten Patienten öfter Urin-Inkontinenz und Erektions- bzw. Potenzstörungen auf und sie konnten weniger an den täglichen Aktivitäten teilnehmen, so dass die Lebensqualität bei der Gruppe der operierten Patienten ein wenig schlechter ausfiel.

Was bedeuten die Ergebnisse der Studie im Endeffekt?

Patienten mit Prostatakarzinom mit geringer Progressionsneigung und niedrigem PSA-Wert zu Beginn haben generell eine gute Überlebenschance und daher bietet eine frühe Prostatektomie keinen wirklichen Vorteil gegenüber den aktiven Überwachen. Die Experten plädieren daher dafür, mögliche Überbehandlungen in Zukunft zu überdenken. [3]

Für Dich könnte wichtig sein, dass Dein Arzt mit Dir über die Vor- und Nachteile aller zur Verfügung stehenden Therapieoptionen (Prostatektomie, Strahlen-, Hormontherapie und aktive Überwachung) ausführlich spricht. Wenn Du dann Fragen hast, frag ruhig nach, bis Du alles verstanden hast. Du solltest frei sein, Dich für die Therapieoption zu entscheiden, mit der Du Dich am sichersten fühlst.

Teile diesen Artikel
Diese Artikel könnten Dich auch interessieren.
Quellenangaben
  1. Behandlungsplanung bei Prostatakrebs (Prostatakarzinom), abgerufen am 05.08.2019 von https://www.prostata.de
  2. Weißbach, Lothar, Altwein, Jens in Deutsches Ärzteblatt, Jg. 106, Heft 22, 29. Mai 2009, Aktive Überwachung oder aktive Therapie beim lokalen Prostatakarzinom?, abgerufen am 05.08.2019
  3. Wilt, Timothy J. et. al. in N Engl J Med 2017; 377:132-142, 13.07.2017, Follow-up of Prostatectomy versus Observation for Early Prostate Cancer, abgerufen am 05.08.2019
  4. Photo by Egor Myznik on Unsplash
Klinische Forschung
Wirksamkeit von Mika in klinischer Studie nachgewiesen
Medizinprodukt
Mika ist ein Medizinprodukt nach deutschem Medizinproduktegesetz
Sicherheit
Wir arbeiten nach höchsten Datenschutz-Richtlinien

Schweres leichter machen

Mach mit in deiner Mika-App!
Gezieltes Training
gegen Fatigue mit Video-Anleitung
Image

Image
Image