Bewegung als Kraftquelle – ein Erfahrungsbericht

Autor: M. Sc. Patrick Hartmann • Fachliche Prüfung: Dr. Henriette Quack
Lesedauer: 4 Minuten
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Spaß an der Bewegung und das Gefühl, die Kontrolle über den Körper zurückzugewinnen: Durch die Diagnose Brustkrebs entdeckte Martina Schmidt* den Sport für sich. Ein Erfahrungsbericht.

Martina Schmidt hatte eine schwere Zeit durchlebt. Bei einer Routineuntersuchung bekam sie die Diagnose Brustkrebs gestellt. Zunächst konnte sie nicht begreifen, dass es ausgerechnet sie getroffen hat. Später wurde ihr aber bewusst, dass sie damit nicht allein war. Vielen Frauen auf der ganzen Welt geht es in einem solchen Moment ähnlich. Von einem auf den anderen Tag ändert sich plötzlich alles.

Es folgten vier Operationen mit beidseitiger Brustamputation. Anschließend kam die Chemotherapie – sechs Infusionen im Abstand von drei Wochen. Ihr war häufig schlecht und sie fühlte sich ständig müde. Nach drei Wochen und vier Tagen waren alle Haare ausgefallen. Dabei war sie immer die mit den blonden Locken. Jetzt war sie plötzlich eine Frau ohne Brust und ohne Haare. Erst einmal ein einziger Schock für sie. Menschen um sie herum versuchten, sie zu ermutigen. Sie sagten Dinge wie: „Jetzt hast du es ja überstanden.“ Doch sie fühlte sich durch die Therapie komplett ausgequetscht und bis in die Muskelzellen geschwächt. Zudem war sie schnell außer Atem.

Martina hatte viel darüber gelesen, was während einer Akuttherapie guttut.
Dabei war immer wieder die Rede von Bewegung. Während der Therapie wäre das für sie alles andere als möglich gewesen.
Fortan versuchte sie aber, diese in ihren Tagesablauf einzubauen und an die frische Luft rauszugehen, wann immer es ging. Es gab für sie unterschiedliche Tage. Einmal fühlte sie sich ziemlich gut und es fiel ihr leicht. Ein anderes Mal war Rausgehen das Einzige, was sie an diesem Tag geschafft hatte. Wieder an einem anderen Tag war selbst das nicht möglich.

Sie beschreibt eine Situation kurz nach der Chemotherapie, als sie etwa zwei Kilometer mit dem Fahrrad zu Schule zum Bäcker fahren wollte.
Der Weg führte über eine Autobahnbrücke mit einem geringen Höhenunterschied. Trotzdem musste sie absteigen und schieben. Sie weinte vor Wut.

Vor der Diagnose war Martina durchschnittlich sportlich. Sie ist ab und zu laufen oder schwimmen gegangen. Ihr hatten jedoch der Spaß und die Motivation gefehlt, regelmäßig etwas zu tun. Immer waren andere Dinge wichtiger. Durch den Brustkrebs hat sich dies jedoch geändert.

Heute, vier Jahre danach, kann sie sich eine Woche ohne Radfahren oder Laufen in der Natur nicht mehr vorstellen.
Auch das Training im Fitnesscenter würde ihr fehlen. Das hat für sie mehrere Gründe. Bewegung tut ihrer Psyche gut.
Sie fühlt sich gesund und fit, wenn sie aktiv ist. Für sie ist es ein tolles Gefühl, denn sie weiß, wie sich das Gegenteil anfühlt. Sie weiß aber auch, dass jegliche Form an Bewegung das Risiko, wieder an Krebs zu erkranken, erheblich senkt.
Außerdem möchte sie nicht zunehmen. Durch die nun notwendigen Medikamente kann dies jedoch schnell passieren.

Nach der Chemotherapie hätte Martina am liebsten ein Sportangebot gefunden, bei dem sie zusammen mit andern Brustkrebserkrankten im gleichen Alter aktiv sein kann. Doch das gab es in Ihrer Region leider nicht. Auch ihr Gynäkologe, von dem sie sich die ganze Zeit über sehr gut betreut fühlte, konnte ihr diesbezüglich keinen Rat geben.

Somit entschied sie, sich kurzerhand in einem Fitnesscenter anzumelden. Zu dieser Zeit waren ihre Haare gerade mal wieder etwa einen Zentimeter lang. Sie besuchte Einsteigerkurse in Yoga, Pilates, Wassergymnastik und Schwimmen.
Zunächst alles sehr langsam und mit Pausen. Ein paar Übungen musste sie auslassen, da sie sich dafür noch zu schwach fühlte. Trotzdem kann sie gerade Wassergymnastik, nach dem Ende der Akuttherapie, sehr empfehlen. Neben dem Trainingseffekt wirkt das Wasser am ganzen Körper wie eine sanfte Lymphdrainage.

Mittlerweile macht Martina vier- bis fünfmal pro Woche Sport. Es gehört einfach zu ihrem Alltag dazu – egal ob es regnet, schneit, stürmt oder knallheiß ist. Für jedes Wetter hat sie die für sie perfekte Sportart entdeckt und gerade diese Abwechslung findet sie klasse.
Das Gefühl etwas Gesundes zu tun und die Kontrolle über den eigenen Körper zu entwickeln, haben ihr sehr geholfen.

Mal treibt sie morgens vor der Arbeit Sport, oft abends und am Wochenende. Manchmal ist sie dabei gerne allein. Das hat für sie etwas Meditatives. Sie nutzt diese Momente, um gute Ideen zu bekommen und um sich zu stabilisieren.
Selbst Stunden danach fühlt sie sich dann immer noch gut gelaunt und entspannt – dank der Glückshormone, die das Gehirn bei intensiver Bewegung ausschüttet.

Sie ist stolz auf sich, so viel Geduld mit sich selbst gehabt und nie aufgegeben zu haben. Nach dem Krebs konnte sie keine 20 Minuten laufen und Radtouren endeten schon nach 15 Kilometern. Dann war sie völlig fertig. Jetzt kann sie nahezu mühelos 10-Kilometer-Läufe durchhalten und stundenlang, zusammen mit ihrem Mann und Freunden, durch die Natur radeln.

Zwischenzeitlich hat Martina sogar einen Übungsleiterschein im Reha-Sport für Orthopädie und Krebsnachsorge gemacht. Damit wollte sie ändern, dass es bisher kaum Angebote speziell für Brustkrebspatientinnen gab.
Sie leitet nun zwei Reha-Gruppen in einem Sportverein in ihrer Nähe.

Als Martina kürzlich ins Fitnesscenter kam und ihren Mitgliedsausweis vorlegen musste, fragte sie die Empfangsdame, wer denn diese Person auf dem Bild sei? Da fiel ihr erstmals auf, dass das Foto vor etwa drei Jahren, kurz nach der Chemotherapie, aufgenommen wurde.
Zwischenzeitlich hat sie sich stark verändert.
Sie ist wieder sie selbst, nicht wie zuvor, aber anders.
Vielleicht ein bisschen sanfter und stärker zugleich.

Heute empfiehlt Martina jeder Frau, die eine schwere Zeit durchgemacht hat, sich nicht vom Wetter, von der eigenen Stimmung oder anderen Dingen abhängig zu machen. Sie ermutigt sich zu bewegen, sich zu fördern und Spaß an der sportlichen Abwechslung zu haben. Nicht irgendwann, sondern jetzt!

*[Name von der Redaktion geändert]

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Quellenangaben
  1. Baumann, F. T., Bloch, W., & Jäger, E. (2012). Sport und körperliche Aktivität in der Onkologie. Berlin Heidelberg New York: Springer.
  2. Bewegung als Kraftquelle – ein Erfahrungsbericht [Internet]. BRIGITTE. [cited 7 November 2018]. Abgerufen am 07.11.2018
  3. Helbrich, H., Friese, K., & Härtl, K. (2019). Körperliche Bewegung von Brustkrebspatientinnen während der Chemotherapie. Der Gynäkologe, 52(1), 69-80.
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