Wer ist ein Cancer Survivor?

Autor: Dipl. Biol. Esther Witte • Fachliche Prüfung: Dr. Christian Keinki
Lesedauer: 4 Minuten
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Cancer Survivor kann vieles bedeuten. Letztendlich beschreibt es die Notwendigkeit patientenspezifischer Behandlungskonzepte.

Weißt Du wie viele Menschen jährlich in Deutschland an Krebs erkranken? Das sind etwa 500.000. Eine unglaubliche Zahl. Sie kommt u. a. dadurch zustande, dass die Menschen immer älter werden. Dem gegenüber steht eine steigende Zahl derjenigen, die den Krebs länger überleben. Durchschnittlich 60-65% der Patienten leben nach 5 Jahren immer noch, und zwar mit guter Prognose, selbst bei aggressiven Tumoren. Das wiederum ist den rasanten Fortschritten in der Krebsforschung zu verdanken. So leben derzeit in Deutschland ca. 4 Millionen Menschen, die in ihrem Leben einmal an Krebs erkrankt waren oder aktuell sind. Für diese Menschen hat sich der Begriff „Cancer Survivor“ etabliert (Krebsüberlebende was aber in der wörtlichen Übersetzung missverständlich ist, meint es doch Leben mit Krebs) etabliert.

Cancer Survivor oder Cancer Survivorship

Wie sensibel Worte bei so schwerwiegenden Krankheiten wie Krebs gewählt werden müssen, zeigt der unterschiedliche Gebrauch des Ausdrucks „Cancer Survivor“. Diesen Ausdruck gibt es in leicht unterschiedlichen Definitionen seit den 1980ern. Die Weltgesundheitsorganisation WHO bezeichnet damit alle Krebspatienten, die sich von der Krebserkrankung vollständig erholt und körperlich, psychologisch und psychosozial rehabilitiert haben. Damit stellt sie einen wenig realistischen Idealstatus dar, der den psychischen und physischen Folgen einer Krebskrankheit sowie den langanhaltenden Risiken eines Rezidivs nicht wirklich gerecht wird.

1985 berücksichtigte dagegen der Kinderarzt Fitzhugh Mullann die lange Verarbeitungszeit einer Krebsdiagnose indem er die Zeit danach in drei „Überlebensphasen“ einteilte: In der akuten Phase (nach Diagnose und während der ersten Therapie) können die Patienten mit existentiellen Fragen konfrontiert sein. In der erweiterten Überlebensphase (extended survivorship – nach Abschluss der Therapie) müssen sie sich mit den körperlichen und psychischen Konsequenzen der Krankheit auseinandersetzen, was durchaus sehr schwer sein kann. In der letzten Phase des dauerhaften Überlebens (permanent survival) erleben die Patienten entweder die vollständige Heilung, die Chronifizierung oder die durch dauerhafte Therapie bedingte Rückbildung der Krebskrankheit.

Diese Einteilung in die verschiedenen Phasen der Krankheit machte deutlich, dass sich Krebspatienten mit bis dato unbekannten Erfahrungen und Herausforderungen auseinandersetzen müssen, die sich deutlich von denen gesunder Menschen unterscheiden. In der Konsequenz gründete daraufhin Fitzhugh Mullann in den USA die National Coalition for Cancer Survivorship (NCCS). Mit dem Erfahrungsschatz von Betroffenen und onkologischen Experten begann die NCCS Behandlungskonzepte zu erforschen, die alle drei „Erlebens-Phasen“ berücksichtigen und Angehörige, Freunde und Betreuer in die Versorgung miteinbeziehen sollten. Diese Cancer Survivorship-Konzepte zielten also vornehmlich auf die professionelle Begleitung der Patienten (cancer survivors) von der Diagnose bis zum Lebensende ab. Dagegen konzentrierte sich die Forschung des National Cancer Institutes ausschließlich auf die Förderung der Gesundheit der Krebspatienten selbst, und zwar nach der akuten Diagnose- und Behandlungsphase, wohingegen die American Society of Clinical Oncology noch einmal den nahestehenden Personen (Nebenüberlebenden) von Krebspatienten (Überlebenden) im Heilungsprozess des Erkrankten eine durchaus wichtige Bedeutung zugesprochen hat.

Wie Patienten mit der Bezeichnung Cancer Survivor umgehen

Wie würdest Du Dich fühlen, wenn Du als Krebsüberlebender bezeichnet würdest? Sicher käme es darauf an, in welchem Stadium der Krankheit Du Dich befändest. Leidest Du aktuell noch an der Krankheit, wäre es Dir vielleicht lieber, als „mit Krebs Lebende/r“ bezeichnet zu werden. Ist Dein Krebs bereits fortgeschritten und Du weißt, dass Du ihn möglicherweise nicht überlebst, klingt „Überlebender“ schon fast wie ein Hohn. Und wurde Dein Krebs erst kürzlich diagnostiziert oder befindet er sich noch im Anfangsstadium, ist das Wort „Überlebender“ ebenfalls nicht passend. Es ist also äußerst schwierig, eine einheitliche Gruppe an Cancer Survivors zu definieren.

Worum geht’s?

Worte sind nur Worte und für Patienten, die sich gerade damit auseinandersetzen müssen, dass ihnen der Boden unter den Füßen weggezogen wird, sicher mehr als nebensächlich. Was hier eigentlich beschrieben wird, ist, dass in der Schweiz, in skandinavischen Ländern und Deutschland sowie in den USA 40 bzw. 44% aller Krebskranken noch über das 10. Jahr nach Diagnosestellung hinaus leben. Von den ca. 4,4 Millionen Krebskranken bzw. ehemaligen Krebskranken lebten 2014 mehr als zwei Drittel (ca. 2,6 Millionen) länger als fünf Jahre mit der Diagnose, 40% (ca. 1,8 Millionen) sogar über zehn Jahre. Zudem befanden sich ein Drittel (ca. 1,5 Millionen) aller Überlebenden noch im erwerbsfähigen Alter.

Heutzutage ist also ein langes Überleben mit einer Krebserkrankung wahrscheinlicher, als es früher einmal war. So schön das ist, bringt es aber auch einige Herausforderungen während und nach der akuten Phase mit sich. Der Alltag von (ehemals) Krebskranken kann sich grundlegend ändern mit Konsequenzen in beruflicher, sozialer und privater Hinsicht. Das erfordert auch ein Umdenken in den entsprechenden Betreuungskonzepten, die ganz spezifisch auf jeden einzelnen Patienten ausgerichtet werden und neben der medizinischen/pflegerischen Begleitung bisweilen auch juristische, sozialrechtliche, finanzielle, familientherapeutische und psychologische Unterstützung bieten müssen.

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Quellenangaben
  1. PD Dr. med. Arndt, Volker in Forum 2019 · 34:158–164, 14.02.2019, „Cancer survivorship“ inDeutschland – Epidemiologie und Definitionen, abgerufen am 23.07.2019
  2. Marzorati, C., Riva, S., & Pravettoni, G. (2017). Who is a cancer survivor? A systematic review of published definitions. Journal of Cancer Education, 32(2), 228-237.
  3. Park, E. R., Peppercorn, J., & El-Jawahri, A. (2018). Shades of Survivorship. Journal of the National Comprehensive Cancer Network, 16(10), 1163-1165.
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