Was Stress mit Tumorwachstum zu tun hat

Autor: Dipl. Biol. Esther Witte • Fachliche Prüfung: Dr. Christian Keinki
Lesedauer: 4 Minuten
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Stressbelastung eines Menschen hat messbar mit der Tumorlast zu tun. Das konnte bei Melanompatienten gezeigt werden.

Das maligne Melanom (oder schwarzer Hautkrebs) kommt in der westlichen Welt immer häufiger vor und tritt vorwiegend bei Menschen im Alter von 60 – 70 Jahren auf. Ursachen für die Entstehung dieser Krebsform sind vor allem eine anhaltend hohe Aussetzung von UV-Strahlung (wie bei langen Sonnenbädern) oder auch eine genetische Vorbelastung. Es wird diskutiert, ob zusätzlich möglicherweise auch eine ungünstige Lebensführung mit Rauchen, Alkohol, Ernährung, Übergewicht, Umwelteinflüsse, Stress und Bewegungsmangel einen Einfluss haben können [1]. Hautkrebs, der bereits in die Tiefe der Haut vorgedrungen ist, hat eine hohe Tendenz zur Metastasierung, wenn er nicht rechtzeitig erkannt und effizient behandelt wird. Wie bei jeder anderen Krebsart werden die Patienten unweigerlich mit den Themen Tod und Sterblichkeit konfrontiert, was nicht selten Stress, Ängste und Depressionen verursacht.

Gängige Therapieformen sind die operative Entfernung des Melanoms , die Immuntherapie mit Interferon alpha und die Behandlung mit zielgerichteten Antikörpern, sogenannten Checkpoint-Inhibitoren, die die Tumorzellen für das Immunsystem wieder erkennbar und damit eliminierbar machen. Letzteres führt zu der Frage, ob auch die Reduktion von chronischem Stress das Immunsystem befähigen kann, das Tumorwachstum zu hemmen.

Die physiologische Bedeutung von Stress

Stress fühlt sich nicht nur äußerst unangenehm an, er macht auch etwas mit uns. Stress bedeutet Alarm für den Körper, erzeugt Anspannung und fordert uns zur Reaktion heraus. Egal, ob der Stress durch Arbeitsbelastung, Zeitdruck oder Emotionen entstanden ist, wir flüchten oder angreifen möchten. Der Stress lässt sich in vier Aktivitäts-Achsen unterteilen, in denen Hormone, Immunsystem und Nervenstoffe eine vorherrschende Rolle spielen.
Zunächst überfluten Hormone den Organismus, Blutdruck, Puls, Stoffwechsel und Blutzuckerspiegel steigen. Hält der Stress länger an, wird das Blut überschüttet mit Stoffen des Nerven-, Immun- und Hormonsystems. Proteine in der Muskulatur, Fette im Fettgewebe und Knochensubstanz werden abgebaut, um den erhöhten Energieverbrauch decken zu können. Wenn es zu einer dauerhaften Stressbelastung kommt, sich der Stress also chronifiziert, geschieht genau das Umgekehrte, die Aktivität von Immunzellen wird unterdrückt. Zuletzt folgen chronische Erschöpfung, Depression und Krankheit, weil unsere Ressourcen aufgebraucht sind. Die Ausprägung dieser Prozesse, also die Bewertung und Bewältigung von Stress, ist dabei abhängig von den persönlichen Erfahrungen und Prägungen.

Wie Stress den Verlauf des Malignen Melanoms beeinflusst

Da die Zellen des Malignen Melanoms Andockstellen (Rezeptoren) für alle stressvermittelnden Mediatoren und Botenstoffe des Immun-, Nerven- und Hormonsystems haben, hat ein hohes Stresslevel auch in irgendeiner Form Auswirkungen auf den Hautkrebs. Verschiedene Versuche an Mäusen konnten schon zeigen, dass ein erhöhtes Stresslevel den Ausbruch der Krankheit begünstigte. Tierversuche lassen sich nicht einfach auf den Menschen übertragen, sie können aber Forschungsfragen aufwerfen. So könnte eine gezielte Modulation des Hormon- und Immunsystems das Tumorwachstum eines Malignen Melanoms möglicherweise hemmen, je nachdem, in welcher Stressphase (-achse) sich die Patienten aktuell befinden. Da Stress durch die nachvollziehbaren physiologischen Prozesse messbar wird, müsste man eigentlich nur das Blut der Patienten auf entsprechende Mediatoren untersuchen, vorausgesetzt, dass die Tumore mindestens 1mm dick sind und dadurch so tief in die Haut eindringen, dass sie mit dem Immunsystem Verbindung aufnehmen und durch Änderung des Hormonmilieus beeinflusst werden können.

Was hat der Zusammenhang zwischen Stress und Tumorwachstum für eine Konsequenz?

Die Auswertung verschiedener Fragebögen hat gezeigt, dass Melanompatienten bereits bei der Diagnosestellung vermehrtem Stress und psychischen Belastungen, wie Ängstlichkeit, ausgesetzt sind. Darum und aufgrund der Tatsache, dass die Krankheit die Patienten über lange Zeit begleitet, kommt der psychologischen Betreuung eine unglaublich wichtige Rolle zu. Theoretisch könnten Angebote zu Gesprächs- und Verhaltenstherapien die Stress- und Angstbelastung der Melanompatienten deutlich reduzieren und zu einer Verbesserung der Lebensqualität, vielleicht sogar zur Senkung der Tumorlast, führen. So konnte eine amerikanische Studie zeigen, dass eine Einbettung der Patienten in Gruppentherapien, Problemlösungs- und Stressmanagementstrategien und psychologischen Gesprächen die Ängstlichkeit, Irritation, Depression, Müdigkeit („Fatigue“), aktive Krankheitsbewältigung und allgemeine Stimmungslage deutlich verbessern konnte. Ob diese positiven Veränderungen auch einen unmittelbaren Einfluss auf den Krankheitsverlauf haben, ist Gegenstand aktueller Forschung und noch nicht abschließend beantwortet. So existiert eine Studie, die einen Überlebensvorteil für psychologisch begleitete Patienten zeigen konnte [2]. Als die Studie wiederholt wurde, konnte jedoch kein Effekt mehr gezeigt werden [3].

Der positive Effekt auf die psychischen Belastungen ist umso größer, je höher die Stresslast zu Beginn der Erkrankung. Eine psychoonkologische Unterstützung ist also besonders für diejenigen Patienten sinnvoll, die besonders belastet sind und unter einer gestörte Stressregulation leiden. Eine frühzeitige und routinemäßige Selektion (d.h. zeitnah zur Diagnosestellung) dieser Patienten über Fremd- und Selbsteinschätzungsbögen zu den Parametern Angst, Depression und Stress [4;5;6], würde von Anfang an bei den Betroffenen den Bedarf an angemessener, psychoonkologischer Behandlung erkennen lassen und würde eine frühzeitige Behandlung zulassen. Wird der Stress bereits zu Beginn der Krankheit reduziert, könnte ein Hormonmilieu, dass das Wachstum des Tumors möglicherweise behindert, geschaffen und eventuell die Überlebenszeit verlängert werden.

Ebenfalls konnte gezeigt werden, dass Melanompatienten generell deutlich weniger das Gen SLURP1 exprimieren. Dieses Gen ist dafür verantwortlich, Proteine zu codieren, die Entzündungen hemmen und Tumorwachstum unterdrücken. Stressbelastung reduziert die Expression noch einmal zusätzlich, wohingegen psychoonkologische Interventionen die Expression verstärken. Hier ergeben sich neue Möglichkeiten der Behandlung, insbesondere in frühen Stadien der Erkrankung, wenn andere spezifische Therapien noch nicht eingesetzt werden können. SLURP1 nimmt über das Immunsystem Einfluss auf das Tumorkontrolle und Krankheitsverlauf.

Fazit

Ob Personen, die unter besonderem bzw. anhaltendem Stress leiden, häufiger eine Krebserkrankung entwickeln, konnte bisher nicht eindeutig bewiesen werden. Fakt ist aber, dass sie vermehrt zu einem ungesunden Lebensstil tendieren, sei es, dass sie vermehrt rauchen, sich ungesünder ernähren oder notwendige Arzttermine und Vorsorgeuntersuchungen vernachlässigen. Eine psychoonkologische Begleitung kann Dir in jedem Fall helfen, die Verarbeitung und den langen Therapieweg zu erleichtern.

 

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Quellenangaben
  1. Foth, Svenja, Inauguraldissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Medizin des Fachbereichs Medizin der Justus-Liebig-Universität Gießen, 2018, Diagnose Malignes Melanomund Stressbelastung: Neuroendokrine Marker und subjektive Belastung bei Patienten mit und ohne psychoonkologischem Betreuungsbedarf, abgerufen am 28.07.2019
  2. Fawzy, FI et. al. in Arch Gen Psychiatry. 2003 Jan;60(1):100-3, Malignant melanoma: effects of a brief, structured psychiatric intervention on survival and recurrence at 10-year follow-up, abgerufen am 28.07.2019
  3. Boesen EH, Ross L, Frederiksen K et al (2005) Psychoeducational intervention for patients with cutaneous malignant melanoma: a replication study. J Clin Oncol 23:1270–1277.
  4. Onishi, H. et. al., Gan To Kagaku Ryoho. 2012 Mar;39(3):331-6, The importance of psycho-oncology, abgerufen am 28.07.2019
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