Worum geht’s?
Vergesslichkeit und Konzentrationsprobleme sind weit verbreitet unter Krebspatienten. Mit Therapien, Übungen im Alltag und einer gesunden Lebensführung kannst Du Deine Gehirnleistung wieder steigern.
In Kürze – Das kannst du tun:
- Versuche mit Deinem Arzt die Ursachen Deiner Beschwerden herauszufinden
- Probiere die Alltagstipps am Ende des Artikels aus
- Ernähre Dich ausgewogen, bewege Dich viel und schlafe ausreichend
“Chemobrain”: der Nebel im Kopf
Hast Du bei der Krebsdiagnose unter starkem Stress gestanden? Dann könnte das deine Vergesslichkeit erklären. Eine wichtige Studie hat gezeigt: Starker ungesunder Stress nach der Krebsdiagnose kann Vergesslichkeit verursachen und die Aufnahmefähigkeit verringern. Früher vermuteten Forscher die Chemotherapie als Ursache. Deshalb hörst du vielleicht oft noch den alten Begriff “Chemobrain” (Chemo-Gehirn). Plakativ kann vom “Nebel im Kopf” gesprochen werden.
Gedächtnisverlust durch Stress
Die Studie “Cognicares (Cognition in Breast Cancer Patients – the Impact of Cancer-related Stress)” von 2017 hat gezeigt: der “Nebel im Kopf” trat bei allen Patientinnen auf, ganz egal, welche Krebstherapie sie erhielten. Wahrscheinlichste Ursache ist belastender Stress, der durch die Diagnose, aber auch die Behandlung und alle damit verbundenen Sorgen und Ängsten verursacht wird. Medizinisch wird hierbei häufig von posttraumatischem Stress gesprochen. Dieser Stress beeinflusst die Gehirnleistung: Gedächtnis- und Konzentrationsfähigkeit sinken stark ab.
Weitere mögliche Gründe für ein nachlassendes Gedächtnis und mangelnde Konzentration
Körperliche Ursachen können unter anderem sein:
- Verminderung der roten Blutkörperchen
- Vermehrte Ausschüttung bestimmter Botenstoffe
- Hohe Ausschüttung des Stresshormons Cortisol
- Verkleinerung bestimmter Hirnareale
- Verminderte Neubildung von Nerven
- Vitamin-B12-Mangel
- Schilddrüsenerkrankung
- Hormonelle Veränderungen und
- Chronische Erschöpfung bzw. Fatigue
Psychische Ursachen können unter anderem sein:
- Depressionen
- Angst
- Schlaflosigkeit
- Berufliche Auszeit
- Schlechte Prognose
Therapien gegen Konzentrationsschwierigkeiten und Vergesslichkeit
Bei psychischen Traumata, Vergesslichkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Depressionen und Hormonveränderungen helfen verschiedene Therapien, wie beispielsweise:
- Traumatherapie
- Psychoonkologie
- Konzentrationstraining
- Entspannungstherapien
- Umstellen der Begleitmedikamente
- Therapien gegen hormonelle Veränderungen
- Psychotherapien gegen Ängste und Depressionen
Konzentrationstraining hilft!
Gefühle, Gedanken, Bedürfnisse können es Dir schwer machen, konzentriert zu bleiben. Im Konzentrationstraining kannst Du zum Beispiel lernen:
- Deine Bedürfnisse (wie Hunger, Schlaf) vor Beginn einer Tätigkeit zu stillen
- Aufflackernde Gedanken und Gefühle rechtzeitig zu stoppen
- Die Arbeit in kleine Abschnitte mit Pausen zu unterteilen
- Keine zwei Aufgaben gleichzeitig zu erledigen
- Notizen für Erinnerungen und Kalender für Termine zu führen
- Die aktuelle Tätigkeit laut auszusprechen (ich backe gerade einen Kuchen)
- Als Konzentrationstraining Spiele zu spielen, wie “Ich packe meinen Koffer”
- Geduldig mit Dir zu sein
Zusätzliche Tipps für den Alltag
Ein gesunder Lebensstil kann Dir im Umgang mit Konzentrationsproblemen oder Gedächtnisverlust helfen:
- Regelmäßige körperliche Bewegung
- Gesunde Ernährung
- Ausreichend Schlaf
- Verzicht auf Alkohol und Nikotin
- Stresssituationen vermeiden
- Geistig fordernde Aktivitäten (Schach, Kreuzworträtsel, Handarbeiten, Musik)
Achtung: Warnsignale
Du solltest unbedingt einen Arzt aufsuchen, wenn:
- Du anhaltende Kopfschmerzen hast
- Du verwirrt, unkonzentriert oder orientierungslos bist
- Du Dir viele Sorgen über Dein Gedächtnis machst
- Du unter Sehstörungen oder Schwindelgefühlen leidest
- Du Schwierigkeit hast, Sprache zu benutzen oder zu verstehen
- Du Deinen Alltag nicht mehr bewältigen kannst
- Du Selbstverletzungsgedanken hast
Hier findest du Hilfe, wenn du verzweifelt bist – rund um die Uhr:
Telefonseelsorge: 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222 oder 116 123
Der Anruf ist kostenfrei.
Scheue nicht davor zurück, Hilfe zu suchen und anzunehmen. Jeder Mensch braucht in seinem Leben Hilfe – insbesondere in schweren Krisen.

Sorgen und Ängste: Dieser Tipp kann Dir helfen

Wo bekomme ich finanzielle Unterstützung?

Psychoonkologie – Notwendig oder nur noch ein Arzt mehr?
- Kühne, Janna, Konzentrationsschwäche und Gedächtnisverlust unter oder nach einer Krebstherapie, 14.09.2018 in Krebsgesellschaft, abgerufen am 23.04.2020
- Hermelink, K., Bühner, M., Sckopke, P., Neufeld, F., Kaste, J., Voigt, V., Münzel, K., Wuerstlein, R., Ditsch, N., Hellerhoff, K., Rjosk-Dendorfer, D., Braun, M., von Koch, F. E., Härtl, K., Hasmüller, S., Bauerfeind, I., Debus, G., Herschbach, P., Mahner, S., & Harbeck, N. (2017). Chemotherapy and Post-traumatic Stress in the Causation of Cognitive Dysfunction in Breast Cancer Patients. JNCI: Journal of the National Cancer Institute, 109(10).
- Kein “Chemobrain” bei Brustkrebs, Deutsche Krebshilfe zu Pressemitteilung der Ludwig-Maximilians-Universität München – 04.05.2017, abgerufen am 30.04.2020
- Was ist Schuld am Chemobrain, 01.09.2015 in Pharmazeutische Zeitung Ausgabe 36/2015, abgerufen am 24.04.2020
- Amidi, A., Christensen, S., Mehlsen, M., Jensen, A. B., Pedersen, A. D., & Zachariae, R. (2015). Long-term subjective cognitive functioning following adjuvant systemic treatment: 7–9 years follow-up of a nationwide cohort of women treated for primary breast cancer. British Journal of Cancer, 113(5), 794–801
- Yang, Y., & Hendrix, C. C. (2018). Cancer-Related Cognitive Impairment in Breast Cancer Patients: Influences of Psychological Variables. Asia-Pacific Journal of Oncology Nursing, 5(3), 296–306.
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