Keine Angst vor der Medizinersprache

Autor: Dipl. Biol. Esther Witte • Fachliche Prüfung: Dr. Henriette Quack
Lesedauer: 3 Minuten
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Der Begriff „kastrationsresistentes Prostatakarzinom“ erzeugt bei Patienten oft Unbehagen. Experten suchen eine neue Bezeichnung.

Wie wäre Dir zumute, wenn Dein Arzt Dir sagen würde, Dein Prostatakrebs sei in einem kastrationsresistenten Stadium? Könntest Du das verstehen, etwas mit diesem Wort anfangen? Das Wort „Kastration“ (also die operative Entfernung oder Stilllegung der Keimdrüsen) erzeugt erst einmal Schrecken und gehört eigentlich eher ins Tierreich oder deutet auf eine mittelalterlich rabiate, demütigende oder bestrafende Maßnahme hin. Männer können kastriert werden, indem man ihnen die Hoden operativ entfernt oder ihre Funktion durch Medikamente ausschaltet. Letzteres ist erst seit Ende des 20. Jahrhunderts möglich und hat den Vorteil, dass die Zeugungsfähigkeit wieder herstellbar ist, indem man die Medikamente absetzt. So bezeichnet die Kastration (von Lateinisch “castrare”, also abschneiden, schwächen, entmannen) streng genommen nur die komplette chirurgische Entfernung der Hoden [1].

Das ist bei Prostatakrebs natürlich nicht gemeint und wir sprechen ja auch von Kastrationsresistenz. Doch was bezeichnet die Kastrationsresistenz?

Klinische Merkmale des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms (KRPCA)

Beim Prostatakarzinom ist die erste Behandlungsstrategie meist abwartendes Verhalten, Verhalten (was bedeutet dass man regelmäßig nach dem Krebs schaut), bis tatsächlich Symptome auftreten. Man möchte dadurch den Patienten möglichst lange belastende Nebenwirkungen einer Behandlung ersparen und hat auch in Studien keinen Vorteil einer frühzeitigen Therapie aufzeigen können. Erst wenn der Krebs streut und beispielsweise aufgrund von Knochenmetastasen Schmerzen verursacht, wird mit einer Therapie begonnen. Mittel der Wahl sind oft antihormonelle Therapeutika, die den Testosteronspiegel im Blut senken oder Rezeptoren bzw. zentrale Schaltstellen des Organismus blockieren. Sie bewirken i.d.R. eine Symptomverbesserung (wie z. B. Linderung der Schmerzen), eine Tumorverkleinerung und/oder das Absinken des tumorspezifischen PSA-Werts. Diese Medikamente wirken sehr erfolgreich und ermöglichen häufig ein jahrelanges Überleben der Patienten.

Doch irgendwie entwickeln sich im Laufe der Zeit immer wieder Resistenzen gegen den Entzug der Androgene, d.h. der Tumor einzelner Patienten spricht nicht mehr auf die Hormonentzugstherapie an – er ist kastrationsresistent geworden.

Klinisch äußert sich dieses Stadium u.a. durch Metastasen in den Knochen, Knochenschmerzen und -brüche, Gewichtsverlust, Blutarmut, erhöhte Blutungsneigung und eine signifikante Verschlechterung des Allgemeinzustands. Die behandelnden Ärzte müssen eine andere Form der Therapie finden, um den Patienten weiter behandeln zu können. Sie müssen das folgende Therapieschema nach einem sogenannten „Entscheidungsbaum“ auswählen, bei dem sie die Symptome und den Allgemeinzustand des Patienten, seine Schmerzen, die aktuellen Blutwerte (insbesondere die Veränderung des PSA-Wertes im Blut), ob und wie der Tumor sich entwickelt und ob er bereits gestreut hat, die Nebenwirkungen der einzelnen Therapieoptionen, Begleiterkrankungen, Lebenserwartung und Lebensqualität berücksichtigen. Unter der Voraussetzung eines engmaschigen Therapiemonitorings sind dann verschiedene Chemotherapeutika, Strahlentherapie und – seit kurzem – auch antihormonelle Medikamente, wie Rezeptorblocker bzw. Testosteronsyntheseblocker möglich [2; 3]. So gesehen, bezeichnet das, was sich erst einmal endgültig anhört (die Kastrationsresistenz), eigentlich nur ein Zwischenstadium des Prostatakarzinoms, das nicht selten auftritt.

Im Dialog mit Patienten

Dennoch hat sich über die Jahre herausgestellt, dass der Begriff „Kastrationsresistenz“ im Arzt-Patienten-Gespräch nach wie vor unangenehme Gefühle und Schrecken bei den Betroffenen und ihren Angehörigen auslöst. Könnten die Tumore nach klinischen oder molekularen Besonderheiten in Untergruppen eingeteilt werden, wäre es für die Ärzte auch leichter, die Situation patientengerechter darzustellen und aus dem Pool der möglichen Therapien die für den Patienten optimale auszuwählen.

Leider gibt es diese Subgruppeneinteilung bisher für den Prostatakrebs noch nicht. Was fehlt, sind spezielle Biomarker der Tumore, die eine entsprechende Einteilung rechtfertigen. Unter den selteneren Prostatakarzinomen gibt es zwar solche mit neuroendokriner Differenzierung und defektem DNA-Reparatursystem, die auch schon spezifisch behandelt werden können. Der Großteil der Prostatakarzinome wird jedoch der verallgemeinerten Gruppierung der katrationsresistenten Prostatakarzinome zugeteilt.

Was bedeutet das für die Kommunikation zwischen Ärzten und ihren Patienten?

Generell ist eine sensible und wertschätzende Aufklärung des Patienten und eine gut durchdachte Wortwahl enorm wichtig. Denn die Gespräche zwischen Ärzten und Dir sind eine höchst sensible Angelegenheit, bei denen der Arzt Dir auf Augenhöhe begegnen und Dich in seiner gegenwärtigen Gefühlslage abholen sollte. In der Regel wenden sich die Patienten mit vielen Fragen und großer Verunsicherung an ihren behandelnden Arzt. Von dessen Seite geht es dann nicht um eine faktisch richtige Darstellung, sondern darum, bei Dir Sicherheit und Zuversicht zu erzeugen. Und so versuchen heute schon viele Ärzte, den Begriff im Gespräch irgendwie zu vermeiden. Für sie ist es nicht immer leicht, vom Fachjargon auf das persönliche Gespräch und Deinen Wissensstand umzuschalten. Darum hab Du als Patient ruhig immer den Mut, nachzufragen, wenn die Erklärung Deines Arztes Unbehagen bei Dir auslöst. Wenn Du das Gefühl hast, dein Arzt ist gehemmt, kann Dir ein Gespräch mit deinem Psychoonkologen auch weiterhelfen.

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Quellenangaben
  1. Krebsinformationsdienst, 10.07.2018, Ist der Begriff “kastrationsresistentes” Prostatakarzinom noch zeitgemäß?, abgerufen am 20.07.2019 von https://www.krebsinformationsdienst.de/fachkreise/nachrichten/2018/fk17-prostatakrebs-kastrationsresistenz-hormontherapie.php
  2. Urologie UK Köln, Kastrationsresistentes Prostatakarzinom (KRPCA), abgerufen am 20.07.2019 von https://urologie.uk-koeln.de/erkrankungen-therapien/prostatakrebszentrum/kastrationsresistentes-prostatakarzinom-krpca/
  3. Prien, Peggy, 09.01.2018 in Krebsgesellschaft: Prostatakrebs – Behandlung im fortgeschrittenem Stadium, abgerufen am 20.07.2019 von https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebsarten/prostatakrebs/therapie/behandlung-im-fortgeschrittenen-stadium.html
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