„Die Chemo läuft!“ – ein persönlicher Erfahrungsbericht

Autor: Claudia Altmann-Pospischek • Fachliche Prüfung: Mika Redaktion
Lesedauer: 5 Minuten
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Vor ein paar Tagen fragte mich eine liebe Bekannte, wie es sich denn so anfühle, eine Chemotherapie zu bekommen. „Nun, wie ein Angriff im eigenen Körper“, antwortete ich – ohne viel darüber nachzudenken. Erst später begann ich zu reflektieren. Wie war denn das eigentlich genau? Wie habe ich mich gefühlt? Was ist damals passiert? Man tendiert schließlich dazu, alles, was mit der Chemo zusammenhängt, in den letzten Winkel seines Kopfes zu verbannen.

Bitte beachte: Dies ist ein persönlicher Erfahrungsbericht zur Chemotherapie. Er soll Dir Mut geben, durch diese herausfordernde Zeit zu kommen. Du kannst natürlich ganz andere Erfahrungen machen. Solltest Du Dich sehr belastet fühlen, sprich mit Deinem Behandlungsteam.

Dieser Artikel wurde am 27.01.2022 veröffentlicht.

Die „Chemo“ als Verbündete

Ein Rückblick:„Die Therapie ist da“, vermeldete eine der Schwestern damals in der Onko-Ambulanz, als gäbe es etwas zu Feiern und rollte einige Ständer, an denen kleine Plastikfläschchen hingen, vor sich her. Nervosität und Unbehagen krochen in mir hoch. „Nun geht’s wirklich los“, zischte es durch meinen Kopf. „Gleich hänge ich am Tropf.“

Ich drückte mich in den Stuhl und beschwor mich, doch Ruhe zu bewahren. Ängstlich orientierte ich mich an den anderen, versuchte es ihnen gleich zu tun, denn schließlich wussten sie, wie der Hase lief.

Dabei fiel mir etwas auf. Sämtliche Chemo-Patienten ließen sich offensichtlich in zwei große Gruppen einteilen: Einerseits in diejenigen, die die Augen erwartungsvoll aufrissen, sich aufrichteten und durchatmeten. Sie waren – trotz aller Widrigkeiten – dankbar, eine teure Therapie bekommen zu können, weil sie natürlich Hoffnung in die Medizin setzten.

Andererseits in diejenigen, welche am Sessel zusammensackten, leidend den Kopf senkten, sich wohl insgeheim dachten: „Uiii, wieder das elendige Gift, das in mich hineingepumpt wird.“ Sie hätten sich wohl am liebsten weggebeamt. Ich wollte zu den Ersteren gehören – keine Frage – und hatte sogleich ein Mantra im Kopf: „Die Chemo ist Deine Verbündete – sie wird Dir helfen!“ Das wiederholte und wiederholte ich mit meiner inneren Stimme. Solange bis ich an der Reihe war.

Die Schwester kontrollierte Namen und Daten auf dem Flaschenaufkleber, berechnete die Zeit, in der ich die Infusion bekommen sollte und schraubte den Plastikschlauch am Venenkatheter fest. Rasch war sie fertig und der farblose Vorlauf bahnte sich seinen Weg in meine Vene.

Tropf, tropf, tropf – verschwand die Flüssigkeit in mir. Dazu gab’s vorsorglich eine Pille gegen Übelkeit. Es dauerte nicht lange bis die Flasche leer war und gewechselt wurde. „Sieht harmlos wie Himbeersaft aus“, kommentierte ich die nächste Infusion, die knallrot daherkam.

„Die ist aber alles andere als harmlos, sondern hochwirksam“, klärte mich die Schwester auf, die mit Gummihandschuhen an mir herumhantierte. Das war sie also – die erste Chemo in meinem Leben. Eine Erfahrung, auf die ich nur allzu gerne verzichtet hätte. Aber einmal mehr galt: Da musste ich durch. Um des Lebens Willen.

„Die Therapie läuft“, verkündete die Schwester – die erste Runde des Widerstands war eingeläutet.

Angst, Zweifel und Unwissen

Ich fühlte, dass meine Hand immer kühler wurde, als der rote Strom in mir verebbte. Kein angenehmes Gefühl, aber „völlig normal“, wie mir die redefreudige Frau neben mir versicherte.

Auf meine Frage, wann denn die Nebenwirkungen einsetzen würden, meinte sie: „In zwei bis drei Tagen. Da klagt jede über andere Beschwerden. Das ist wie im Roulette. Alles ist möglich. Nix ist fix. Wenn wir uns in 3 Wochen wiedersehen, dann wissen wir mehr.“ Ach so, konnte man die Therapiefolgen also nicht über einen Kamm scheren? Verstehe. Ich musste also abwarten, Tee trinken (darin war ich ja geübt) und mich mit dem arrangieren, was auf mich zukäme.

Alles lief. Besser als gedacht. Bereits seit Stunden. Ein eigenes, aber kein ungutes Gefühl – verbunden mit ein wenig Stolz, dass ich bis jetzt alles so souverän geschafft hatte. Ohne Tränen. Ohne Panik. Ohne den Drang, davonlaufen zu wollen. Aber – „das dicke Ende kommt noch“, schaltete sich der Verstand ein. Was die Wundertüte noch alles beinhalten würde?

Haarverlust, Übelkeit, Müdigkeit, Kopfschmerzen – die Bandbreite der Nebenwirkungen schien schier endlos. Alles konnte, nichts musste sein. Mit Ausnahme der Glatze – die hatten mir die Ärzte fix prognostiziert. Angst, Zweifel und Unwissen machten sich breit. Ich preschte wieder auf meiner gedanklichen Achterbahn dahin, mal ging’s rauf, mal runter und mal machten die Gedanken einen Looping.

Kraftakt & Eisbecher

„Jetzt noch die Nachspülung und dann haben Sie alles geschafft. Und beim nächsten Mal sind Sie dann schon Profi“, so die motivierenden Worte der Schwester. Mit versierten Handgriffen hatte sie das Infusionsfläschchen gewechselt und nun war es wieder glasklare Flüssigkeit, die in meiner Vene verschwand.

Ich lehnte mich zurück und schloss die Augen. Mein Kopf war nun leer, ich war müde und ausgelaugt. Unfähig, weiter über alles nachzudenken. „Eine Schutzmaßnahme?“ – gute Frage. Plötzlich heulte der Alarm des Gerätes auf, das mir die Chemo in den Körper pumpte, und unterbrach sowohl die Stille in meinem Kopf als auch die Stille im Raum.

Auch die anderen Patientinnen wirkten zu Ende des Giftcocktail-Tages abgekämpft und erledigt. Kein Wunder, eine Chemo war ein Kraftakt. Meine Bewunderung für alle, die hier schon zum fünften, sechsten Mal saßen, war groß.

Mein Mann Peter holte mich kurz danach vom Krankenhaus ab. Er war sichtlich froh, dass ich die erste Chemo-Runde überstanden hatte. „Was machen wir jetzt?“, fragte er. „Jetzt holen wir uns ein großes Eis als Belohnung“. Süßen Gelüste – selbst in dieser Situation. Gesagt – getan. Eine Viertelstunde später saßen wir bereits bei einem üppigen Eisbecher im Café und ich erzählte von meinem anstrengenden Tag im Landesklinikum.

Medaille für die Chemo-Leistung

Insgesamt bekam ich damals 8 Zyklen intravenöse Chemotherapie im Abstand von 3 Wochen. Ein Frontalangriff auf meine Krebszellen. Diese Zeit war, rückblickend betrachtet, eine Grenzerfahrung.

„Die Leistung, die Menschen leisten, während sie eine Chemotherapie erhalten, ist durchaus mit der eines Sportprofis beim Marathon vergleichbar und hätte sich eine Medaille verdient“, habe ich vor Kurzem als Gedanken bei einer Veranstaltung aufgeschnappt. Ja, eine Chemotherapie ist definitiv ein Kraftakt, physisch wie psychisch. Aber das Wichtigste: Die Chemo hat gewirkt – das zählt am Ende!

Die Autorin: Mag. Claudia Altmann-Pospischek (46) kommt aus Wiener Neustadt in Österreich. 2013 wurde sie mit der Diagnose Brustkrebs konfrontiert. Sie engagiert sich seitdem als Brustkrebs-Aktivistin, Patientenvertreterin und Autorin. 2016 rief sie ihren Blog „Claudias Cancer Challenge“ ins Leben und schreibt täglich über ihr Leben mit der Erkrankung.

Bildnachweis: Claudia Altmann-Pospischek, privat

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