Blutstammzelltransplanation – was ist das?

Autor: Dr. Nicole Strauch • Fachliche Prüfung: Dr. Clemens Seidel
Lesedauer: 5 Minuten
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Möglicherweise machen Deine Therapien die Gabe (Transplantation) von Blutstammzellen notwendig. Wir wollen Dir hier erklären, worum es sich dabei handelt und welche Wirkmechanismen man sich hier zu Nutze macht.

Blutstammzellen befinden sich im Knochenmark des Menschen. Hier sind sie wie kleine Kraftwerke dafür verantwortlich alle Zellen des Blutes zu bilden. Sie arbeiten also an der Bildung von roten Blutkörperchen (Erythrozyten), weißen Blutkörperchen (Leukozyten) und Blutplättchen (Thrombozyten) maßgebend mit.

Erythrozyten sind dafür verantwortlich Deinen gesamten Körper mit Sauerstoff zu versorgen. Du atmest also ein – Sauerstoff strömt in Deinen Körper und die Erythrozyten nehmen diesen auf und schicken ihn an alle Organe und Systeme Deines Köpers. So wird Energie bereitgestellt, damit Dein Körper, seine Organe, Muskeln und alle anderen Teile arbeitsbereit sind und ihre Leistung bringen können.

Leukozyten sorgen dafür, dass Dein Immunsystem ohne Störungen arbeiten kann und es Dich vor Angriffen von außen durch Krankheitserreger, wie Bakterien, Viren oder Pilze, schützt.

Die Thrombozyten (Blutplättchen) sind dafür verantwortlich, dass die Blutgerinnung funktioniert und somit Wunden heilen. Dies kannst Du Dir so vorstellen, als ob Du über eine Verletzung mehrere Schichten dieser Blutplättchen legst, diese miteinander verkleben und dadurch der Heilungsprozess einsetzt und Dein Körper vor eindringenden Keimen, Bakterien, Viren oder Pilzen geschützt wird. Dies geschieht nicht nur auf der Körperoberfläche, sondern auch im Inneren an allen Organen z.B. nach Operationen oder Verletzungen bei Unfällen.

Sinken Deine Blutwerte aufgrund von Therapien stark ab oder ist die Bildung von Blutzellen fehlerhaft, kann man über eine sogenannte Blutstammzelltransplantation Abhilfe schaffen.

Das Verfahren hierzu möchten wir Dir hier Schritt für Schritt erklären:

Stammzellgewinnung:

  1. Die Konditionierung

Damit sichergestellt werde kann, dass die neuen Blutstammzellen nach der Transplantation auch richtig im Knochenmark anwachsen können, müssen zuerst die vorhanden Blutstammzellen entfernt werden. Hierzu führen die Ärzte bei Dir eine sogenannte Hochdosis-Chemotherapie durch. Zusätzlich ist es manchmal auch ratsam/notwendig eine Ganzkörperbestrahlung durchzuführen. Wenn dies erfolgt ist, ist die Vorbereitungsphase abgeschlossen und Dein Körper ist bereit für die Übertragung der neuen Blutstammzellen.

Du kannst Dir sicher vorstellen, dass die Hochdosis-Chemotherapie relativ aggressiv sein muss, um sicherzustellen, dass auch wirklich alle Blutzellen entfernt wurden. Daher hat sich die sogenannte Mini-Transplantation etabliert. Hierbei versucht man nicht nur über die Hochdosis-Chemotherapie die vorhandenen Blutstammzellen zu zerstören. Sondern man regt über die Gabe von fremden Stammzellen das Immunsystem so an, dass es eine eigene Abwehrreaktion hervorbringt, die dann zusätzlich den Kampf gegen die eigenen Blutstammzellen im Vorfeld aufnimmt. Das hat auch den Vorteil, dass bei der Hochdosis-Chemotherapie mit weniger Nebenwirkungen zu rechnen ist; also die gesamte Therapie kleiner und weniger belastend – also MINI ausfällt. Befrage Deinen Arzt zu dieser Therapieoption, wenn Du noch mehr darüber erfahren möchtest und abklären willst, ob sie für Dich auch in Frage kommt.

  1. Wie kommt man an die Stammzellen?

Lange Jahre wurden die Blutstammzellen durch eine Entnahme von Knochenmark des Spenders gewonnen. Dies war ein aufwändiger und auch teils schmerzhafter Eingriff, bei dem mit einer langen Nadel aus dem Knochenmark der Wirbelsäule entnommen wurde. Dieses Knochenmark wurde dann mittels einer Infusion dem Patienten zugeführt.

Die Forschung konnte aber zeigen, dass auch im menschlichen Blut ein kleiner Anteil an Blutstammzellen vorhanden ist. Daher hat man ein Verfahren erarbeitet, dass mittels eines Medikaments (Granulozyten-Kolonien-Stimulierenden Faktor/G-CSF) weiße Blutzellen und Blutstammzellen aus dem Knochenmark ins Blut schwemmt. Anschließend werden die Blutstammzellen mit einem speziellen Filter (Zellseparator) aus dem Blut entfernt und bei 196° Celsius tiefgefroren. Man rechnet mit vier Stammzellspenden, bevor genug Material vorhanden ist, um eine Übertragung durchführen zu können. Jede einzelne Sitzung dauert im Schnitt zwischen zwei und drei Stunden.

Stammzellübertragung:

  1. Eigenspende (autologe Stammzelltransplantation)

Wenn dies bei Dir so gemacht werden soll/kann, dann werden Dir vor der Konditionierung (s.o.) und der Ganzkörperbestrahlung Blutstammzellen entnommen, tiefgefroren und so lange aufbewahrt bis sie dir später wieder zugeführt werden können. Dann können die Blutstammzellen über Deine Blutbahnen ins Knochenmark gelangen, anwachsen und wieder neue krebsfreie Blutzellen bilden.

  1. Fremdspende (allogene Stammzelltransplantation)

Wenn jemand anderes für Dich Blutstammzellen spendet spricht man von einer allogenen Transplantation. Spenden können nur Personen bei denen bestimmte Marker mit Deinen übereinstimmen. Dies ist deshalb wichtig, weil ansonsten die gespendeten Stammzellen nicht in Deinem Knochenmark anwachsen können. Dein Körper erkennt, dass sie nicht „passend“ sind und schwemmt sie einfach wieder aus. Dies soll unbedingt ausgeschlossen werden.

Daher eignen sich besonders gut Eltern oder biologische Geschwister zur Spende. Bei anderen Verwandten, Freunden oder fremde Spendern muss erst getestet werden, ob diese geeignet sind. Hierzu reicht ein Wangenabstrich und später eine ganz normale Blutprobe. Es muss kein Knochenmark entnommen werden.
Hat man die Blutprobe so wird im Labor untersucht ob die wichtigen Merkmale von Dir und dem Spender übereinstimmen. Das nennt man HLA-Typisierung. Stimmen die Merkmale überein und kann somit ausgeschlossen werden, dass es nach der Transplantation zu einer Abstoßung kommt, kann der Spender mit der Spende beginnen, die Stammzellen eingefroren werden und Du kannst parallel mit der Hochdosis-Chemotherapie und der Ganzkörperbestrahlung beginnen. Und dann können Dir die Blutstammzellen über Infusionen gegeben werden, sie sich im Knochenmark anlagern und dort neue, gesunde Blutzelle bilden.

Risiken der Behandlung:

Patienten berichten, dass die Blutstammzelltransplantation sowohl körperlich als auch psychisch belastend sein kann. Die oben beschriebene Anfälligkeit für Infektionen, die Isolierung, die Krankenhausaufenthalte und auch die Angst vor einer möglichen Abstoßungsreaktion bei einer Fremdspende werden als Herausforderung beschrieben. Hier ist es wichtig, dass Du offen und im engen Kontakt mit Deinem Behandlerteam stehst, über alle Bedenken und Einschränkungen berichtest, damit man Dir von medizinischer Seite helfen kann. Außerdem ist es immer hilfreich, wenn Du Dich auch Deiner Familie, Freunden und Bekannten anvertraust. Du musst das nicht alleine stemmen! Es gibt sicher Menschen in Deinem Umfeld, die Dir zur Seite stehen wollen und die sich gerne um Dich kümmern. Solltest Du bis jetzt eher ein Einzelgänger gewesen sein und Dein soziales Umfeld eher überschaubar ist, dann zögere nicht, professionelle Hilfe (Psycho-Onkologen, Selbsthilfegruppen, Sozialdienst) in Anspruch zu nehmen.

Und natürlich kannst Du in unserer App auch nach weiteren Informationen oder unterstützenden Videos, Audios oder Artikeln suchen. Wir möchten Dich auf Deinem Weg durch die Erkrankung begleiten und Dir zur Seite stehen.

Wir wünschen Dir viel Kraft für die Therapie!

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Quellenangaben
  1. Holtick, U., Chemnitz, J. M., Hallek, M., & Scheid, C. (2015). Allogene Blutstammzelltransplantation–ein Überblick. Klinische Monatsblätter für Augenheilkunde, 232(05), 641-646
  2. Ottinger, H. D., & Beelen, D. W. (2015). Allogene Blutstammzelltransplantation–Aktuelle Informationen zum Standort Deutschland. Transfusionsmedizin-Immunhämatologie, Hämotherapie, Immungenetik, Zelltherapie, 5(03), 126-130.
  3. Krebsinformationsdienst.de (2021): Transplantation von Blutstammzellen. Abgerufen am 22.03.2021.
  4. Naumann, P. (2016). Die psychosoziale Verfassung bei allogener Stammzelltransplantation und deren Einfluss auf den klinischen Verlauf (Doctoral dissertation, Universität Ulm).
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