Lage des Darms entscheidet über die Therapie

Autor: Dipl. Biol. Esther Witte • Fachliche Prüfung: Dr. Christian Keinki
Lesedauer: 3 Minuten
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Links- und rechtsseitiger Darmkrebs reagiert unterschiedlich auf Therapien. Auch die Prognose könnte sich unterscheiden.

Man sollte doch meinen, dass Darmkrebs gleich Darmkrebs ist und es dabei unerheblich ist, ob der Darm nun links oder rechts im Bauch liegt. Jetzt haben Forscher aber herausgefunden, dass es durchaus relevant ist, wo der Krebs im Darm liegt. Denn die sogenannte Sidedness entscheidet offensichtlich darüber, wie gut das Ansprechen auf die Behandlung und die Prognose der Patienten sind. Links- und rechtseitige Tumoren brauchen scheinbar ganz unterschiedliche Therapien für eine schnelle Reduktion der Symptome [1].

Wie unterscheiden sich links- und rechtsseitiger Darm?

Wenn Du Dir die Lage des Darms im Bauchraum als „M“ vorstellst, dann ist der rechtseitige Anteil des Darms der Teil vom M bis einschließlich des letzten aufstrebenden Astes und der linkseitige Darm der abstrebende Ast des M bis zum Ende (dem Rektum). Die Darmanteile unterscheiden sich molekular, im äußeren Erscheinungsbild (phänotypisch) sowie in Physiologie und Verhalten. Die Statistiken der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Darmkrebs viel häufiger auf der linken Seite und im Mastdarm (Rektum), als auf der rechten Seite des Dickdarms entsteht. Ausnahmen sind die genetisch verursachten Darmkrebsfälle. Dort kann es genau umgekehrt sein.

Der rechtsseitige Darmkrebs ist meist weniger gut aufgegliedert als der linksseitige. Außerdem entstehen dort mehr Karzinome vom schleimigen (muzinösen) Typ. Mutationen, die in den meisten Fällen der Entstehung von Darmkrebs zugrunde liegen und Angriffspunkte für zielgerichtete Therapien, treten ebenfalls bei rechts- und linksseitigem Darmkrebs unterschiedlich häufig auf. Der rechtseitige Darmkrebs zeigt häufiger als der linksseitige Mutationen im KRAS-Gen (mit der Folge unkontrollierten Wachstums von Zellen) und Mikrosatelliteninstabilitäten (Gen-Defekt des DNA-Reparatursystems). Auch flache Läsionen (also nicht erhabene Karzinome) treten hier öfter auf.

Schließlich sind die Patienten mit rechtsseitigem Tumor im Durchschnitt älter (73 Jahre gegen 70 Jahre), häufiger Frauen und leiden öfter an Begleiterkrankungen als Patienten mit einem linksseitigen Tumor. Der rechtsseitige Tumor wächst auch häufiger in das umliegende Gewebe. [2]

Therapieansätze bei rechts- und linksseitigem Karzinom

Inzwischen sind die Prognosen bei Darmkrebs gar nicht so schlecht. Selbst bei Metastasierung können heutzutage noch gute Langzeiterfolge erzielt werden. Neben operativen und verödenden (Ablations-) Verfahren stehen verschiedene Strahlentherapien und systemische Therapien mit Zytostatika sowie zielgerichtete Therapien (z.B. gegen die Neubildung von Tumor-Gefäßen) zur Verfügung. Voraussetzung für die Anwendung der spezifischen Therapien ist die molekulargenetische Analyse des Tumors auf Mutationen im Genom [3]. Aus vergangenen Studien weiß man inzwischen, dass das linksseitige, metastasierte Karzinom vom RAS-Wildtyp am besten auf eine kombinierte Chemo- und zielgerichtete Therapie mit einem EGFR-Hemmer anspricht. EGFR (epidermal growth factor receptor) -Hemmer sind Antikörper, die an Rezeptoren binden und so das Wachstum von Tumorzellen hemmen. Das ist auch in der aktuell gültigen S3-Leitlinie über die Behandlung von Darmkrebs berücksichtigt. So wird empfohlen, dass die Behandlung von metastasiertem Darmkrebs davon abhängig gemacht werden soll, wo der Primärtumor sitzt. So soll verhindert werden, dass eine Therapie angewendet wird, die mit großer Wahrscheinlichkeit weniger gut wirkt, weil sich Tumore sich der linken von denen der rechten Seite physiologisch stark unterscheiden. Befindet sich der Krebs auf der rechten Seite wird eine Kombinations-Chemotherapie mit Bevacizumab empfohlen [3].

In Zukunft wird nach weiteren Biomarkern gesucht werden müssen, damit passgenaue Therapien konzipiert und die Prognosen für die Patienten noch weiter verbessert werden können.

Wie ist die Prognose bei rechts- und linksseitigem Darmkrebs?

Alles in allem scheinen Patienten mit linksseitigem Darmkrebs eine bessere Prognose zu haben als die mit rechtsseitigem. Wie stark sich die beiden Krebsformen unterscheiden, ist jedoch noch Gegenstand der aktuellen Forschung. In einigen Studien scheint das Sterberisiko bei linksseitigem Darmkrebs niedriger als das von Patienten mit rechtsseitigem Darmkrebs. So zeigt sich die bessere Prognose besonders bei Patienten mit Darmkrebs im Stadium III oder IV, vermutlich weil in früheren Stadien eher lokale Therapien, wie eine Operation, im Vordergrund stehen und damit die Heilungschancen gleich sind. Die biologischen Eigenschaften eines Tumors werden erst relevant, wenn es um zielgerichtete Therapien im fortgeschrittenen bzw. metastasierten Stadium geht.

Es gibt jedoch auch gegenteilige Studien, nämlich dass sich links- und rechtseitige Tumore im tumorspezifischen und Gesamtüberleben der Patienten eben nicht unterscheiden [2]. Auch hierzu ist noch weitere Forschung notwendig, um gesicherte Prognosen formulieren zu können.

Die Forscher erklären die unterschiedlichen Prognosen und Therapieansprechen damit, dass die Karzinome in linksseitigen Darmabschnitten früher bluten und Beschwerden hervorrufen, so dass sie auch früher diagnostiziert werden können. Dagegen treten Eigenschaften, die mit einer schlechteren Prognose verbunden sind, im rechten Darmabschnitt häufiger auf als im linken. So könnte es in Zukunft bei den rechtsseitigen Darmkrebstypen weniger Chemo- und dafür mehr spezifische Immuntherapien geben [4].

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Quellenangaben
  1. DKFZ, 13.03.2017, Rechts- und linksseitiger Darmkrebs: Unterschiedlich behandeln?, abgerufen am 27.07.2019.
  2. Karim S, Brennan K, Nanji S et al (2017) Association Between Prognosis and Tumor Laterality in Early-Stage Colon Cancer. JAMA Oncol 3:1386–1392.
  3. Shen, Hong et. al., 07.05.2015 in world journal of gastroenterology, Different treatment strategies and molecular features between right-sided and left-sided colon cancers, abgerufen am 27.07.2019.
  4. rer. nat. Siegmund-Schultze, Nicola in Dtsch Arztebl 2017; 114(5), Kolorektale Karzinome: Die Lage des Primarius zählt, abgerufen am 27.07.2019.
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