Immunsystem versus Krebs – die Immuntherapie

Autor: Dipl. Biol. Esther Witte • Fachliche Prüfung: Dr. Henriette Quack
Lesedauer: 4 Minuten
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Die Immuntherapien heben die Krebsbehandlung auf ein neues Niveau und erzielen gute Überlebensprognosen für Krebspatienten.‍

Die Immunonkologie erweitert auf ganz spannende Art die Therapiemöglichkeiten bei Krebserkrankungen. Sie macht für manche Patienten ein längeres Überleben möglich. Viele Patienten werden bereits im Rahmen der Standardtherapien oder von klinischen Studien mit den neuen Therapien behandelt. Dennoch sind noch viele Fragen offen und die Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft. Für die behandelnden Ärzte sind die Wirkungen und möglichen Nebenwirkungen der komplexen Substanzen noch Neuland, Psychoonkologen wissen noch nicht, wie die Therapie sich auf die seelische Situation der Patienten und Ihrer Angehörigen auswirkt. Es gibt also in diesem Bereich noch sehr viel zu tun.


So ist unser Immunsystem in Krebserkrankungen verwickelt

Früher ging man davon aus, dass unser Immunsystem sozusagen allmächtig ist und alles, was nicht der körperlichen Ordnung entspräche, gnadenlos vernichtet. Das Immunsystem galt als eine Art Körperpolizei, die quasi überall vertreten ist. Patienten, deren Immunsystem, aus welchem Grund auch immer, unterdrückt wurde, entwickelten stattdessen verstärkt Krebs.

Der französische Immunologe Jérôme Galon hat 2006 für die Krebsdiagnostik den „Immunoscore“ entwickelt. Er misst anhand von Bildern die Menge der Immunzellen im und am Tumor und berechnet dann mit einer 95%igen Treffsicherheit die Heilungschancen für die Patienten bzw. das Risiko des Wiederauftretens der Krankheit [1]. Diese Erfindung hat u.a. bewirkt, dass Patienten weniger übertherapiert oder mit unnötigerweise toxischen Substanzen behandelt wurden und individuelle (patientenspezifische) Behandlungen entwickelt werden konnten.

Das Dilemma zwischen Immunsystem und Tumoren

Im Prinzip kommt es bei der Tumorentwicklung zu einem Ungleichgewicht zwischen immunologischem Milieu und Tumorzellen. Während das Immunsystem anfangs die Tumorzellen noch erkennt und zerstört, kommt es im Laufe der Zeit zu einem Gleichgewicht zwischen Immunaktivität und Tumorwachstum. Schließlich gewinnt der Tumor den Kampf gegen das Immunsystem, oder vielmehr entgeht er dem Immunsystem, indem er sich als körpereigen darstellt. Durch diesen Trick schafft er es, nunmehr ungehindert wachsen zu können.

Diese Immuntherapien gibt es schon: die Checkpoint-Inhibitoren

Die Checkpoint-Inhibitoren klingen irgendwie nach Flughafenpersonal, das wichtige Sicherheitsstellen überwacht. Und so ungefähr verhält es sich auch tatsächlich. Denn eine Immunzelle (eine sogenannte T-Zelle) hat auf ihrer Oberfläche einen Rezeptor für die Zielzelle (z.B. Tumorzelle) und einen Liganden (Checkpoint), der für eine angemessene Immunantwort sorgt und verhindert, dass die T-Zelle übermäßig reagiert und z.B. körpereigene Zellen angreift. Wir haben gesagt, dass sich eine Tumorzelle vor dem Immunsystem verstecken kann, die T-Zellen also nicht mehr auf die Tumorzellen reagieren. Wenn man nun diesen T-Zell-Checkpoint durch Antikörper hemmt, können die T-Zellen wieder gegen den Tumor aktiv werden und die Tumorzellen zerstören (nach dem Prinzip Minus mal Minus gibt Plus). Die Checkpoint-Inhibitoren wurden bereits erfolgreich angewendet beim malignen Melanom, beim nicht kleinzelligen Bronchialkarzinom, Merkelzellkarzinom, Nierenzellkarzinom und Morbus Hodgkin. Als Nebenwirkungen kommen Schädigungen an verschiedenen Organen (Haut, Lunge, Magen-Darm-Trakt, Leber, Auge) vor, da die überaktiven T-Zellen zur Autoimmunreaktion (also einem Angriff der körpereigenen Strukturen) neigen.

Die bispezifischen Antikörper

Monoklonale Antikörper binden über spezifische Rezeptoren an Oberflächenmoleküle ihrer Zielzellen. Das Ganze geschieht nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip und sorgt dafür, dass die markierten Zellen vom Immunsystem eliminiert werden können. Diese Antikörper können wiederum mit anderen Molekülen gekoppelt werden, um die Wirkung der Antikörper zu potenzieren. Dazu eignen sich z.B. Radionuklide oder Chemotherapeutika. Die bi- bzw. trispezifischen Antikörper haben neben dem Bindungsmolekül an die Zielzelle noch andere Moleküle an der Oberfläche, die nahgelegene T-Zellen aktivieren und dadurch die Immunantwort gegen den Tumor vervielfältigen. Zugelassen ist diese Art der Therapie bei akuter lymphatischer Leukämie (ALL) und bei Non-Hodgkin-Lymphomen. Als Nebenwirkungen können Fieber, Schüttelfrost, Entzündungen, Verwirrtheit und Krampfanfälle auftreten.

Die CAR-T-Zellen

Die CAR-T-Zellen setzen sich nach einem Baukastenprinzip aus natürlichen Eigenschaften des Immunsystems zusammensetzten. Dabei werden die T-Zellen mit künstlichen Antigenrezeptoren (chimäre Antigenrezeptor CAR) gekoppelt, so dass die T-Zellen die Krebszellen gezielt ansteuern und sich dabei zu zerstörerischen (zytotoxischen) T-Zellen entwickeln, die die Krebszellen nun abtöten können. Das Gute an der CAR-T-Zell Konstruktion ist, dass man sie krankheitsspezifisch und je nach Oberflächenmolekül der Tumore, also individuell anpassen kann [2]. Sie wirken gut z.B. bei B-Non-Hodgkin-Lymphomen oder Leukämien der B-Zellreihe, sollen aber zukünftig auch für solide Tumore konstruiert werden. Die Nebenwirkungen können von einer Blutvergiftung bis zur Vergiftung von Nerven reichen und fallen meist schwerwiegend aus. Da die Herstellung der CAR-T-Zellen sehr teuer und aufwendig ist, wird die Therapie nur selten durchgeführt [3].

Fazit

Die meisten Immuntherapien haben sich als erfolgreich herausgestellt und das Leben der Patienten signifikant verlängert. Derzeit gibt es um die 940 verschiedene Therapieansätze, viele davon werden noch in klinischen Studien geprüft. Da sie zur Verbesserung der Wirksamkeit und zur Minderung der Nebenwirkungen häufig mit anderen Therapien kombiniert werden, ist die Zahl der Möglichkeiten hoch. Die Immuntherapien zeigen einen wichtigen Ansatz zur grundlegenden Änderung der Krebstherapien. Heute liegt das Augenmerk weit mehr als früher auf Therapien, die so gezielt wie möglich auf einzelne spezifische Moleküle ausgerichtet sind und den Rest des Körpers möglichst unbehelligt lassen. Dass das möglich ist, ist besonderen Disziplinen wie der Molekulargenetik, zu verdanken, die immer mehr detaillierte Strukturen an Zellen und Genom identifizieren können. So wird in Zukunft die Prognose vieler Krebserkrankungen mehr und mehr verbessert werden können.

 

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Quellenangaben
  • Europäisches Patentamt, Jérôme Galon (FR), Gewinner des Europäischen Erfinderpreis 2019, abgerufen am 29.08.2019 von www.epo.org
  • Krebsinformationsdienst. Update CAR-T-Zell-Therapie. Abgerufen am 29.03.2021. Update vom 03.09.2019.
  • Kobold, Sebastian et. al. in DMW – Deutsche Medizinische Wochenschrift 2018; 143(14): 1006 – 1013. Immunonkologie – ein Überblick, abgerufen am 29.08.2019
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