Alternativmedizin – schaden kann es ja nicht, oder?

Autor: Dipl. oec. troph. Karin Kastrati • Fachliche Prüfung: Dr. Henriette Quack
Lesedauer: 4 Minuten
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Mit natürlichen Wirkstoffen und Verfahren gegen Krebs – klingt toll, oder? Dass dies aber gefährlich sein kann, erfährst Du hier.

Wundermittel, die Krebs auf natürlich Weise heilen – das Internet ist voll davon. Ob Hochdosis-Vitaminkuren, Aprikosenkerne oder Gesundbeten, die Hersteller versprechen eine schnelle Genesung und das meist ganz ohne Nebenwirkungen. Klingt wirklich zu gut, um wahr zu sein? Genau, denn es steckt tatsächlich auch nicht viel dahinter, denn wissenschaftlich bewiesen ist die Wirkung in den meisten Fällen nicht. Die Hersteller setzen auf die Verzweiflung der Krebspatienten, die im Wunsch nach Heilung oftmals nach jedem Strohhalm greifen. Eine aktuelle Studie der Yale School of Medicine hat nun untersucht, wie sich der Einsatz von alternativer Medizin auf den Erkrankungsverlauf auswirkt.

Alternative oder komplementäre Medizin – was ist das eigentlich?

Zunächst einmal gilt es zu klären, was unter den Begriffen Alternativ- oder Komplementärmedizin überhaupt zu verstehen ist:

Die Alternativmedizin umfasst alle Verfahren, die anstatt der klassischen, schulmedizinischen Behandlung eingesetzt werden. Zu den schulmedizinischen Therapien bei Krebs zählen in der Regel die Operation, Chemo- oder Immuntherapie, Bestrahlung und bei manchen Tumoren eine fortlaufende Antihormontherapie oder der Einsatz einer zielgerichteten Therapie (eine Art Chemotherapie in Tabletten- oder Infusionsform). Werden diese Behandlungen ganz oder teilweise abgelehnt und stattdessen andere Verfahren eingesetzt, spricht man von Alternativmedizin. Dazu gehören beispielsweise Vitaminkuren, spezielle Anti-Krebs-Diäten, Meditation, Gesundbeten und vieles mehr. Diese Verfahren werden meist von nicht stattlich anerkannten Heilpraktikern, Homöopathen oder Alternativmedizinern verabreicht. Denn zugelassene Heilpraktiker und Homöopathen werden – genau wie die Schuldmedizin – nur wissenschaftlich belegte Verfahren, anwenden: die Komplementärmedizin.

Die Komplementärmedizin geht einen anderen Weg: dabei werden oftmals pflanzliche Wirkstoffe oder Verfahren aus der Naturheilkunde zusätzlich zur Schulmedizin eingesetzt. Wer also Beispielsweise unter einer Chemotherapie mit starken Nebenwirkungen zu kämpfen hat, bekommt eventuell Ingwer gegen die Übelkeit oder Bienenpollen gegen Appetitlosigkeit. Der Fokus liegt hier also ganz klar auf dem Wort „zusätzlich“, also komplementär. Die Komplementärmedizin wird in der Regel vom behandelnden Arzt verschrieben, von einem Homöopathen, mit dem Dein Arzt zusammenarbeitet oder von einem Mediziner mit Zusatzqualifikation „Komplementärmedizin“ verabreicht.

Studie mit beunruhigendem Ergebnis

Eine Gruppe von US-Wissenschaftlern in Yale hat nun untersucht, wie es Krebspatienten ergeht, die alternative Behandlungsmethoden nutzen. Das Ergebnis ist alles andere als gut: Die Patienten, die Alternativmedizin einsetzen, haben ein wesentlich höheres Risiko, in den ersten fünf Jahren nach der Krebsdiagnose zu versterben. Dies liegt nach Aussage der Studienärzte daran, dass sie tatsächlich die empfohlene schulmedizinische Behandlung ganz oder teilweise weglassen und auf alternative Methoden setzen.

Die Wissenschaftler der Yale School of Medicine nutzten für ihre Studie die Daten der National Cancer Database, der nationalen Krebsdatenbank der USA, in der Informationen zum Krankheitsverlauf von über 1,9 Millionen Patienten aufgezeichnet sind. Genauer betrachtet wurden die Daten zu Patienten mit Brust-, Lungen-, Prostata oder Darmkrebs im Alter von 48 bis 64 Jahren, die mindestens eine schulmedizinische Behandlung erhalten hatten. Außerdem wurden nur Patienten mit Krebs im Frühstadium ausgewählt, also nur Erkrankte, deren Krebs noch behandelbar war und gute Chancen auf Heilung bestanden. 258 davon gaben an, Alternativmedizin einzusetzen, die 1.032 Patienten in der Kontrollgruppe taten dies nicht. Die Patienten, die Alternativmedizin in Anspruch nahmen, waren insgesamt noch recht jung, gebildet und hatten ein gutes Einkommen – und es waren mehr Frauen als Männer. Entsprechend sah auch die Vergleichsgruppe aus.

Höhere Sterblichkeit durch Alternativmedizin

Die Ergebnisse der Yale-Studie waren hinsichtlich der 5-Jahres-Überlebensrate eindeutig: 86,6 Prozent der Patienten, die auf die schulmedizinische Behandlung vertrauten, ging es auch nach 5 Jahren noch gut. In der Gruppe der Nutzer der Alternativmedizin waren dies lediglich 82,2 Prozent. Das Risiko in den ersten fünf Jahren nach Diagnosestellung zu versterben, war also beim Einsatz alternativer Methoden deutlich höher.

Warum das so ist, lässt sich in den Behandlungsdaten erkennen: Die Patienten, die Alternativmedizin nutzten, lehnten viel häufiger eine weitere schulmedizinische Behandlung ab, verzichteten also auf von Ärzten empfohlene Maßnahmen. Beispielsweise entschieden sich nur drei Prozent der Patienten in der Vergleichsgruppe gegen die angeratene Chemotherapie, unter den Alternativmedizin-Nutzern waren es 34 Prozent.
Eine Bestrahlung lehnten lediglich 2,3 Prozent der Patienten in der Kontrollgruppe ab, bei den Anwendern von Alternativmedizin waren es hingegen 53 Prozent, also mehr als jeder zweite. Für die Forscher waren diese Ergebnisse nicht überraschend: Zuvor hatten sie ausgehend von derselben Datenbank ermittelt, wie es Krebskranken ergeht, die nur die Alternativmedizin allein nutzen, also gar keine schulmedizinischen Maßnahmen (OP, Chemo, Bestrahlung, Antihormontherapie) in Anspruch nahmen. Fast jeder zweite dieser Patienten (45 Prozent) starb in den ersten fünf Jahren nach der Diagnose, in der Vergleichsgruppe waren es lediglich 22 Prozent.

Wenn der Einsatz von Alternativmedizin also dazu führt, dass schulmedizinische Therapien abgelehnt werden, kann dies den Behandlungserfolg gefährden. Bitte sprich daher immer mit Deinem behandelnden Arzt, wenn Du über Alternativmedizin oder komplementäre Methoden nachdenkst. Schulmedizinische Therapien sind wissenschaftlich gut untersucht und ihre Wirksamkeit ist bestätigt, anderen Verfahren können nach Rücksprache mit dem Arzt zusätzlich, begleitend eingesetzt werden. Alternativmedizin anstatt einer schulmedizinischen Behandlung einzusetzen ist nicht sinnvoll.

 

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Quellenangaben
  1. Skyler B. Johnson, MD1; Henry S. Park, MD, MPH1; Cary P. Gross, MD2; et al. Complementary Medicine, Refusal of Conventional Cancer Therapy, and Survival Among Patients With Curable Cancers. JAMA Oncol. 2018;4(10):1375-1381.
  2. Burkhard, B. (2008). Risikofreie Komplementär-und Alternativmedizin?. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen, 102(9), 568-573.
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